Mehr Solidarität wagen

Was ist nur mit der SPD los? Da muss sich ein Parteivorsitzender durch die Hintertür verabschieden und nach einer Schrecksekunde heißt es: „Business as usual“. Da entdecken hessische Sozialdemokraten nach nicht wenigen öffentlichen und nichtöffentlichen Treueschwüren in dem Moment plötzlich ihr Gewissen, in dem nichts mehr zu retten ist, sondern eine Katastrophe für die hessische SPD unausweichlich bleibt und, schlimmer noch, es wird ein Sieg und rechtskonservatives Weiterregieren der hessischen CDU unter Roland Koch mehr als billigend in Kauf genommen. Und bei der Führung? Nicht gleich Business as usual, aber scheinbar betroffene Erleichterung. Damit nicht genug. Schon fast in hessischer Tradition werden in Hamburg heimlich Delegierte gesammelt und plötzlich steht ein – wenn auch linker, aber dennoch – Hoffnungsträger der SPD ohne Wahlkreis und aussichtsreichen Listenplatz im Regen. Und das, obschon der frisch gewählte Bundesvorsitzende Müntefering bittet, die überraschende Gegenkandidatur zurückzuziehen. Und wenn man hinter die Kulissen schaut, dann fallen immer wieder die Namen der gleichen Strippenzieher.

So mehren sich die Zeichen, dass seit Schwielowsee nicht nur die innerparteiliche Solidarität, sondern auch die Autorität des neu gewählten Bundesvorsitzenden mitunter schwer durchzusetzen ist. Wer nach Schwielowsee nur zukleistert und nicht innerparteilich aufarbeitet. Wer auch nach Hessen nicht klar sagt und durch Konsequenzen zeigt, wo die Grenzen sind, der muss sich nicht wundern, wenn sich Genossen auch durch den Einwurf von Franz Müntefering nicht von ihren Nacht-und-Nebel-Aktionen abhalten lassen.

Wir brauchen für den kommenden Wahlkampf unsere ungeteilte Kraft, um nicht zwischen rechts und links zerrieben zu werden. Aber innerparteiliche Solidarität ist keine Einbahnstraße. Deswegen geht es jetzt darum, Solidarität einzufordern und nicht länger zuzusehen, wie einige versuchen, den angeblichen Linksruck der SPD unter Beck schnell noch zurückzudrehen, bevor es dann wieder heißt, ob links oder rechts, dass ist jetzt egal, wir müssen gemeinsam hinter unserer Partei und Frank-Walter Steinmeier stehen, um im September zu gewinnen.

Robert Drewnicki
Abteilungsvorsitzender SPD Neu-Westend
Charlottenburg-Wilmersdorf